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AutorenbildChristine Dworschak

Die Ernährung Europäischer Landschildkröten (Zusammenfassung des Vortrags in Gießen)

ERNÄHRUNG der Europäischen Landschildkröten

August 29, 2016

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Selbstverständlich kann ich, bei all dem, was ich bei meinen Vorträgen weitergebe, lediglich von meinen eigenen Erfahrungen und nur meinen persönlichen Beobachtungen berichten. Oft werfen diese Fragen auf und nicht immer gibt es auf alles eine Antwort. So kann es sogar vorkommen, dass meiner Erkenntnisse, bereits einige Wochen, Monate oder Jahre später von mir wieder revidiert werden. Daher beinhalten meine Berichte und Erfahrungen keine Rezepte und sind immer für „Selbstdenker“ ausgelegt.

In diesem Sinne, erlaube ich mir hier, den Vortrag über die ERNÄNRUNG DER EUROPÄISCHEN LANDSCHILDKRÖTEN welchen ich am 27.August bei Thorsten Geiers Workshop in Gießen halten durfte, zum Nachlesen in geschriebene Worte zu fassen.

Das erste, was eine Schildkröte zu sich nimmt ist wohl die Erde, in der sie sich entwickelt hat. Da ich die Eier meiner Tiere in Erde vergraben zeitige, konnte ich dieses Schauspiel schon öfter beobachten. Die Tiere schlüpfen und knabbern oft dabei von ihrer eigenen Eischale. Sehr oft nehmen sie danach gezielt Erde auf. Ob dabei die Grundlage für eine funktionierende Darmflora gebildet wird?



Wenn wir an schildkrötengerechte Nahrung denken, dann denken wir unweigerlich an Löwenzahn. Eine Pflanze, mit der man auf keinen Fall etwas falsch machen kann – außer, sie dient als einziges Alleinfutter. Vom Löwenzahn wird alles verspeist: die gelben Blüten, der milchige Stängel, die Blätter und sogar die Wurzel.    



Was aber genau passiert mit dem Löwenzahn, wenn er vom Schildkrötenschnabel erwischt wird? Schauen wir uns doch einmal den Verdauungsapparat der Schildkröte genauer an:



Mit den scharfen und harten Hornschneiden wird die Pflanze grob abgezupft, eingespeichelt und mit der relativ großen, fleischigen Zunge, ganz ohne Kauen oder zusätzlicher Zerlegung, weiter transportiert durch die Speiseröhre in den Magen. Hier wird alles tüchtig geknetet, vermischt und mit Säuren durchtränkt. Weiter geht es nun durch den Dünndarm, wo die Nährstoffe entzogen und durch die Wände des Dünndarms direkt ins Blut gelangen. Von hier aus werden diese, wie auch der Sauerstoff, der ja über die Alveolen auf den Blutblättchen Platz nimmt, zu den entsprechenden Organen weiter transportiert. Der Rest unseres Löwenzahns reist nun weiter durch den Dickdarm. Dieser ist dicht besiedelt mit Bakterien aller Arten. Hier herrscht reges Treiben, muss doch aus all den übriggebliebenen Resten noch einmal alles genauestens untersucht werden um doch noch das Eine oder Andere zu gebrauchen. Hier wird auch noch der allerletzte Tropfen Wasser entzogen und gespeichert. Übrig bleibt nur noch der unbrauchbare Kot, der eingedickt, oft sichtbar durchzogen mit Pflanzenfasern, als dunkles und kompaktes Würstchen ausgeschieden wird. Pflanzen sind um ein Vielfaches schwerer zu verdauen als fleischliche Kost, darum ist der Dickdarm bei Pflanzenfressern, wie es unsere Europäischen Landschildkröten ja sind, auch um einiges länger als der von fleischfressenden Lebewesen. Entsprechend länger verweilt der Löwenzahn im Schildkrötendarm, als die Reste eines Schnitzels bei uns Menschen.

Bei all dem dürfen wir jedoch eines nicht außer Acht lassen, nämlich das ist das Klima! Schildkröten sind wechselwarme Reptilien und so funktioniert der gesamte Verdauungstrakt nur bei einer entsprechenden Körperkerntemperatur von annähernd 38°C. Sie sind also in höchstem Maße von warmen, sonnigen Wetter abhängig.

Interessant finde ich, wie sehr sich doch das Wissen über die Ernährung dieser Tiere im Laufe der Zeit geändert hat. So lesen wir, im Buch von Prof. Dr. Walter Kirsche (1997) – Die Landschildkröten Europas -, der noch vor 20 Jahren als „der Schildkrötengott“ galt und auch heute in fast allen Büchern als Quellen angegeben wird, auf Seite 44 folgende Empfehlung zur gesunden Ernährung unserer Schildkröten:



> Im Vergleich zu den klimatischen Bedingungen der Ursprungsbiotope ist die warme Jahreszeit bei und kürzer und weniger warm. Um den Tieren trotzdem zu ermöglichen, die nötigen Reserven für die Winterruhe auszubilden, muss der Pfleger zusätzlich abwechslungsreiche Nahrung anbieten. Hierzu gehörten Salat, Raps, Chicorée, Blumenkohl- und Kohlrabiblätter, Bohnenblätter, Rapunzel, Sedum-Arten, besonders Sedum spectabile, Erdbeeren, Süßkirschen, Tomaten, Stachelbeeren, Melone, Apfel (besonders Klarapfel) Möhren geraspelt, Reis und Kartoffeln gekocht und ohne Salz.     Ich gebe ferner eingeweichtes Weißbrot mit vorher eingerührtem Hühnerei. Dieses Futter wird mit Kalk- Vitaminpräparaten und zerstoßenen Eischalen überstreut. Selten verfüttere ich Schabefleisch oder Herzmuskel-Streifen, mit Kalk-Vitaminpräparaten überstreut.<


Wie sehr sich diese Meinung doch im Laufe der letzten Jahre geändert hat! Aber WARUM füttere man damals die Tiere so? Warum hat sich das geändert und wann hatte es sich ins Gegenteil gedreht?

Wollen wir uns doch einmal die Inhaltsstoffe einer dieser „Tabupflanzen“ genauer ansehen. Nehmen wir uns einmal die schöne runde und rote Frucht, den Paradeiser heraus und zerlegen wir ihn in seine



Bestandteile:    Energie: 17 kcal Eiweiß: 1,0 g Fett: 0,2 g Kohlenhydrate: 2,9 g Ballaststoffe: 1,8 g Natrium: 6.0 mg Kalium: 297 mg Kalzium: 13 mg Magnesium: 20 mg Phosphor: 27 mg Eisen: 0,5 mg Vitamin A: 133 µg Vitamin E: 0,8 mg Vitamin B1: 0,06 mg Vitamin B2: 0,04 mg Niacin: 0,6 mg Vitamin C: 124 mg Folsäure: 39 µg Wasser: ca. 95%

Für uns Menschen eine ausgesprochen gesunde Frucht. Mit seinem recht niedrigen Oxalsäure Wert, wird diese Frucht für nierenschwache, gichtkranke Leute empfohlen. Sogar eine Krebs vorbeugende Wirkung wir ihr nachgesagt – und so hat sich die Tomate, welche in Österreich auch „Paradeiser“ genannt wird, ihren Namen auch wirklich verdient. Kommt dieser doch vom Paradies. Eine Frucht, die nicht nur paradiesisch schmeckt, sondern uns ein langes und gesundes Leben verspricht.

Was aber macht ihn für Schildkröten so ungesund? Eigentlich nur eines: durch das ungünstige Verhältnis zwischen Kalzium und Phosphor (der Phosphor Wert ist fast doppelt so hoch wie der Kalzium Wert) bietet diese Frucht der Schildkröte kein Kalzium. Man müsste ihn also mit Kalziumpulver aufwerten oder mit anderen kalziumreichen Pflanzen verabreichen – ob man deshalb kalziumreiche Kuhmilch den Tieren gab?

Heute ist das kein Thema mehr, heute ist alles ganz anders, heute werden die Tiere annähernd naturnahe ernährt - hoffentlich, auch unter Berücksichtigung des Mittelmeerklimas!

Der britische Herpetologe ROGER MEEK hat sich bereits vor einigen Jahren sehr intensive mit den Futterpflanzen der Tiere in den natürlichen Habitaten auseinander gesetzt.  Seine Forschungsergebnisse können auf seiner Seite: http://www.slideshare.net/RogerMeek/62-testudo-hermanni-dietary-selection nachgelesen werden. Wer sich mit dem Fachenglisch etwas schwer tut, der kann, hier: http://testudoland.npage.de/ auf der Homepage von Gunda Mayer de Rojas ,die von ihr ins Deutsche übersetzte Zusammenfassung dieses Artikels lesen. „Studie Kroatien und Montenegro“

Interessant finde ich nicht nur die Tatsache, dass die Tiere dort, denen 63 verschiedene Futterpflanzen zur Verfügung stehen, weit mehr als 50% eiweißreiche Hülsenfrüchte, wie z.B. verschiedene Kleesorten, Wicken, Lupinen und Platterbsen, aufnehmen, auch die Erkenntnis, dass 16,7% ihrer Futterpflanzen Gifte oder Alkaloide beinhalten hat mich sehr erstaunt.

Kann es sein, dass sich die Schildkröten in unseren Gehegen, bedingt durch einen Mangel an pflanzlichen Eiweiß, so sehr auf fleischliche Kost, wie Würmer, Schnecken, Käfer, ja sogar verendete Vögel oder gar Mäuse stürzen? Sollten wir ihnen mehr (viel mehr) proteinreiche Pflanzen anbieten?


Foto: Andreas Wendt


So sollten Schildkröten, auch wenn der Inhalt im Napf durchaus in Ordnung ist, nicht ihre Nahrung aufnehmen. Unsere gepanzerten Lieblinge sind, wie es Wolfgang Wegehaupt in seinem Buch so treffend beschrieben hat, Weidegänger. Sie streifen durch das Dickicht, beißen einmal von Hier und dann von Da ab. Sie fressen kaum eine Pflanze komplett auf, lassen stets etwas übrig, so kann die Pflanze, trotz der Bisswunden, ausreifen und sich weiter vermehren. Durch solche Streifzüge ist den Tieren eine große Abwechslung gewährt und sie können aus einer Vielzahl an Futterpflanzen wählen und wertvolle Inhaltsstoffe aufnehmen.


Löwenzahn ist zwar durchaus eine gute Futterpflanze, aber Löwenzahn alleine ist bei weiten nicht ausreichend für eine gute Ernährung dieser Tiere. Es ist die Vielfalt und die Abwechslung, die wir unseren Tieren bieten müssen und das am besten so, dass sie selbst wählen können.

Machen wir doch einmal einen kurzen Abstecher ins natürliche Verbreitungsgebiet. Nicht in ein bestimmtes, sondern ganz allgemein will ich den Blick dorthin lenken, wo wir, im Mittelmeerraum, bzw. auch an der Schwarzmeerküste, diese Tiere natürlicherweise finden:



Hier finden wir, bedingt durch die sommerliche Hitze, verdorrte Gräser und Wildkräuter. Nur nahe den Bäumen und Buschwerk findet man noch frischere Pflanzen, die den Tieren als Nahrung dienen.

In manchen sandigen Gebieten an d er sind außer harte und krautige Pflanzen nichts was die Tiere fressen könnten. Dennoch haben wir dort Europäische Landschildkröten gefunden.

Bei genauerer Betrachtung sieht man sattes grünes Blattzeug unter der dichten strohigen Schicht.

Wilder Salbei, kriechender Wacholder und die warme, feuchte Luft verströmen den Duft, der nach Urlaub und Schildkröten riecht.

Nun müssen wir dieses Bild bloß noch in unsere Gärten bringen :)

Ohne Frühbeet oder Gewächshaus schaffen wir ein Habitat nahes Klima freilich nicht. Einen dichten Pflanzenwuchs, von dem sich die Tiere selbständig ernähren können, jedoch schon. Was wir dafür allerdings brauchen ist Zeit – viel Zeit. Das frisch angelegte Gehege braucht annähernd ein Jahr, bis es soweit ist, dass die Tiere es beleben können. Dabei sollte man aber auch bedenken, dass es mindestens 10m² pro Tier sein sollten, damit sich die Schildkröten auch wirklich abwechslungsreich und ohne zusätzliche Fütterung ernähren können. Besser sind natürlich 20m² oder 30m². Aber wollen wir es nicht übertreiben, wir sollen die Tiere ja auch noch finden und in einem allzu großen und gut durchwachsenen Gehege ist das nicht mehr einfach, wie ich immer wieder feststellen muss.

Hier möchte ich nun einen kleinen Einblick in die Entstehung meines Geheges geben. An sich war ja alles schnell und schön bereit, als die Tiere in das frische und noch jungfräuliche Gehege einziehen durften. Leider hatte sich das jedoch als Fehler herausgestellt, so fraßen die Tiere innerhalb weniger Tage die zarten und frisch keimenden Pflanzen ab und übrig blieb nichts. Nichts außer Gras. Dieses gewann bald Überhand und schnell war das Gehege total vergrast. Keine einzige Futterpflanze, nur Gras, Gras, Gras, wohin am auch schaute. Das Gehege war zwar gut strukturiert und auch wunderschön grün, jedoch fand sich keine einzige Futterpflanze mehr darin, und die Tiere währen verhungert, wenn ich sie nicht zusätzlich gefüttert hätte. Das Gehege musste bereits nach nur einem Jahr, von Grund auf erneuert werden.

In mühevoller Handarbeit musste die gesamte Grasnarbe entfernt werden. Dabei wurden möglichst viele Wurzeln der Quecken und die von anderen Gräsern herausgezogen.



Nach einigen intensiven Arbeitstagen war alles grasfrei. Nun wurde eine dicke Schicht Branntkalk aufgebracht und mit Wasser gelöscht.

Nach einigen Tagen wurde das gesamte Gehege mit groben Schotter gefüllt. Dieser dient als Drainage und soll den gesamten Boden lockern und das Wasser, nach einem heftigen Regenguss schnell durch rinnen lassen. Am untersten Teil des Geheges befindet sich ein Rohr, welches verhindern soll, dass sich Regenwasser zurück stauen kann. Direkt unter der oberen Mauer befindet sich unter dem Schotter eine Drainage.

Da ein guter Pflanzenwuchs erwünscht ist, wurde auf den Schotter eine dicke Erdschicht verteilt. Dazu wurden einige m³ Rasenerde verwendet, da diese einen besonders hohen Sandanteil und nur wenig Dünger beinhaltet.

Im September wurde es Zeit für die Aussaat.  

Viele heimische Pflanzenarten konnte ich direkt aus der Natur ernten, einige habe ich bewusst  gekauft.

Auch wurden viele Futterpflanzen ausgegraben und ins Gehege gesetzt.

Die Saat durfte nicht austrocknen und da es der „Wettergott“ gut mit uns meinte und noch einige warme Herbsttage bescherte, musste fleißig gegossen werden.

Die Arbeit hat sich gelohnt, bald sprießt zartes, frisches Grün. Die Tiere müssen sich jedoch noch eine ganze Weile gedulden, bis sie ihr Reich in Anspruch nehmen können.

Im Winter wurde bereits ein kräftiges Futterpflanzenfeld, sanft von einer dicken Schneedecke geschützt.    Im Frühling wuchsen die Futterpflanzen kräftig heran. Trotzdem mussten die Tiere noch bis in den Sommer warten um ihr neues Reich in Beschlag nehmen zu können.

Das Gehege im Jahreslauf:

Zeitiges Frühjahr:


Es finden sich zwar schon einige Pflanzen, wie z.B. die Vogelmiere, die man sogar unter der Schneedecke (welche bei uns im Alpenvorland lange halten kann) ernten kann. Bei fast 30 adulten Tieren muss ich jedoch zu Salaten greifen, die ich im Großhandel bekomme. Nicht jeder Salat eignet sich für Schildkröten, ich achte darauf, dess es einer ist, der mit der Wegwarte verwandt ist, wie z.B. Radicco, Chicorée, Grumolo und Catalonie.

Auch Feldsalate, Rucola und Endivie sorgen für ein wenig Abwechslung.

Auch frische Keimlinge (Alfa-Alfa und Radieschen) bekommen meine Tiere in dieser Zeit. In den Frühbeeten und auch im Gehege kann ich bald den Rabs ernten und verfüttern.

Frühling:

Meist Mitte April können sich die Tiere selbst von ihrem Gehege versorgen. Jetzt steht ihnen eine wirklich große Pflanzenvielzahl zur Verfügung, die sie auch fleißig nutzen. Es ist die Hauptfress- und Wachstumszeit.


Kalzium, in Form einer Sepiastulpe liegt das ganze Jahr über im Gehege herum und wird, besonders im Frühjahr sehr gerne beknabbert. Die Tiere nehmen dabei nicht nur das wichtige Kalzium auf, welches sie in der Wachstumszeit und auch zur Beschalung der Eier, dringend benötigen, sie wetzen sich dabei auch ihre Schnäbel. So wird ein übermäßiges Hornwachstum am Oberkiefer vermieden.


Sommer:



Im Sommer trocknen viele Pflanzen ab und liegen (unschön für`s menschliche Auge) im Gehege herum. Meine Tiere knabbern sehr gerne von den ausgedörrten Pflanzen. Unter diesem dichten Pflanzenfilz keimen bereits die neuen Pflanzen heran und werden so vor dem Austrocknen geschützt.

Auf diese Weise erneuert sich das Gehege von selbst. Das ist natürlich nur dann möglich, wenn dar Tierbesatz nicht zu groß ist. Auf ein Tier müssen mindestens 10m² kommen, besser sind natürlich mehr.

Herbst:




Um diese Jahreszeit wird es bereits deutlich ruhiger. Die Tiere verbringen mehr Zeit im Gewächshaus und sie fressen auch deutlich weniger. In dieser Zeit lasse ich es im Gewächshaus, mittels Gartenschlauch, sehr oft regnen. Meine Tiere sitzen dann in den Pfützen und genießen das Wasser. Dabei tanken sie ihren Wasserhaushalt optimal auf und sind für den Winter versorgt.

Bald werden sie sich in ihre Winterquartiere, unter dem Terrassenboden im Gewächshaus, begeben und die kalte Jahreszeit ganz einfach verschlafen.

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