Sanft wiegen sich die Gräser im Frühlingswind.
Das vertraute Rascheln, der erdige Geruch, all das verrät, dass der Sommer nicht mehr lange auf sich warten lässt.
Langsam und gemächlich setze ich vorsichtig einen Fuß vor den anderen, während ich durch die wild bewachsene Landschaft steige. Die vielen Steine erschweren mir das Gehen und auch das Wissen, dass hier Schildkröten leben, mahnt mich zu Vorsicht. Neben den vielen kleinen Steinen, die durch den dichten Pflanzenfilz kaum noch zu erkennen sind, liegen immer wieder große Steinbrocken herum. Von der Sonne aufgeheizt, laden sie mich zum Niedersetzen ein. Angenehme Wärme breitet sich auf meinem Hintern aus – wie schön!
So sitze ich still hier, genieße die warmen Sonnenstrahlen, die nach dem vergangenen Regen eine besondere Wonne sind, und streiche mit meiner Hand über die hoch geschossenen Grasbüschel.
Wie soll man da bloß Schildkröten finden.
Nicht nur Gräser, auch viele mir vertraute Wildpflanzen, welche den Tieren als Nahrung dienen, wachsen hier in Hülle und Fülle.
„Verhungern muss hier wohl keine Schildkröte“ denke ich, während meine Augen angestrengt zwischen Gräser, Büsche und Disteln steifen. „Hier müssen sie doch wo sein“ – und tatsächlich verrät der typische dunkle, mit Fasern durchzogene Schildkrötenkot ihre Existenz. Nicht nur Kot ist zu finden, auch die cremig weißen Urate blitzen gleich neben einer Pfütze. Ja, hier leben Schildkröten und auch wenn ich sie nicht sehen kann, so bin ich mir sicher, dass ich von den kleinen schwarzen Augen, neugierig betrachtet werde. Lange sitze ich so da, auf meinem warmen Stein, und denke daran, wie schlimm es wohl für diese Tiere sein muss, wenn sie ohne jeglicher Deckung auf der nackten Erde, auf Schotter, Holzhäcksel oder gar in einem abgegrenzten Stück englischen Rasen, verziert mit einer Reihe Stiefmütterchen und einem fein gezimmerten Häuschen, leben müssen.
Plötzlich höre ich ein Rascheln - ein anderes Rascheln als es der Wind verursacht, wenn er sanft die Grashalme aneinander reibt. Es ist, ein mir durchaus vertrautes Geräusch, ein Geräusch, wie es nur eine Schildkröte erzeugen kann, wenn sie gemächlich durch die dichte Wildnis streift. Konzentriert schaue ich in die Richtung und augenblicklich ist es wieder still – nichts, ich sehe nichts, außer dicht bewachsener Erde, fast undurchdringliche Wildnis.
Und da sehe ich es, das verräterisch wackelnde Gras. Langsam stehe ich auf und gehe auf die Stelle zu. Erst als ich mich auf den Boden knie, sehe ich sie – Aphrodite, ja, es ist meine Aphrodite! Meine alte Schildkröte, die mich nur schon fast durch mein ganzes Leben begleitet. Dieses wunderschöne, uralte Tier!
Sie schaut mich an, mit diesem, für sie so typischen Schildkrötenblick. Ich kann nicht anders, beuge mich zu ihr, ganz nahe an sie heran, lege ihr meine Hand auf ihren sonnenwarmen Panzer und verspreche ihr, das Gras doch nicht zu entfernen. Ich weiß ja, wie sehr es meine Schildkröten lieben, ich weiß, wie gerne sie ihre Gänge, durch diesen dicht bewachsenen, krautigen Pflanzenfilz ziehen, wie gerne sie ungesehen bleiben möchten.
Also packe ich meine Schaufel wieder in den leeren Kübel, streiche noch einmal mit der Hand über die hohen Grasähren und setze mich auf die Terrasse um mit meinen Mann ein Bier zu trinken.
„Du hast heute aber nicht viel gemacht“ meinte er und blickt auf das üppig bewachsene Gehege. „Doch, antworte ich, ich habe meine Schildkröten beobachtet und habe festgestellt, dass das Gehege jetzt genau richtig ist.“ …
“... Vielleicht nicht für das menschliche Auge“ füge ich im Gedanken dazu, „aber ganz sicher für die Schildkröten“
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