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Schildkröte Greterl und die Oma


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Wie alt sie wirklich war, weiß wohl keiner so genau. Die Kinder nannten sie einfach immer nur „das Greterl“. Dabei wusste damals keiner, ob sie auch wirklich ein Mädel ist. Erst viel später, als sie Eier legte, wusste man, der Name passt. Greterl ist eine Griechische Landschildkröte und kam Mitte der 60er Jahre nach Österreich. Sie war damals etwa Handteller groß und wurde eigentlich wegen der Kinder angeschafft. In ihrem Eifer, unbedingt ein Haustier zu besitzen, was ihnen die Eltern jedoch, wohl wissend, dass man mit einem Tier gewisse Einschränkungen hat, verwehrte, sammelten die Kinder Schnecken, bemalten ihre Häuser und bauten diesen einen schönen, Platz in der Sandkiste. Da kam der Großmutter die Idee, dass eine Schildkröte vielleicht das richtige Tier sei. Die macht keine Arbeit, frisst was man ihr gibt und im Haus hat sie auch nichts verloren. Für die Eltern also ganz ohne Einschränkungen und für die Kinder eine Freude. Wie gesagt, das ganze spielte sich damals, in den 60 Jahren ab.

Die Kinder wurden groß, die Pubertät kam überraschend und schnell und mit 13 Jahren interessierte sich keiner der drei Geschwister mehr für Schildkröten. So übersiedelte das Gräterl vom kleinen, gepflegten Garten der Eltern in den großen Garten der Großmutter.



Dem Gräterl war es nur recht. Nach den anfänglichen „Pflegemaßnahmen“ und Liebkosungen der Kinder nahm sie dankbar das Dessinteresse dieser zur Kenntnis. Ja, sie genoss es, nicht mehr am „Schildkrötenwettrennen“  der Nachbarschildkröten teil zu nehmen und auch, keine Ausflüge mehr im Puppenwagen unternehmen zu müssen und da sie den ganzen Garten, mit genügend Versteckplätzen zur Verfügung hatte, verzieh sie es den übermütig tollenden Kindern, wenn sie ab und zu einmal übersehen wurde und eines der Kinder über sie stolperte. Auch die „Liebesanfälle“ und Streicheleinheiten wurden viel seltener. Kein Mensch interessierte sich mehr für sie und als sie,  Anfang 1980 zur Omi, in den großen, etwas ungepflegten Garten durfte, schien ihr Leben perfekt zu sein.  Die Omi war mittlerweile  zwar schon über 70 Jahre alt, aber noch ziemlich rüstig. Zu Tieren hatte sie, wie damals die meisten alten Leute, eine ganz andere Beziehung. Sie war zwar gut zu ihnen, sorgte für ihr Wohl, eine emotionale Beziehung baute sie jedoch kaum zu ihren Tieren auf. Die Ziege würde gefüttert um Milch zu geben, die Hühner bekamen ihre Körner um ihr tägliches Frühstücksei zu sichern, die Katze war für die Mäuse zuständig. Dafür bekam sie auch etwas von der Milch der Ziege ab.



Und die Schildkröte …… ja, wofür war die eigentlich gut? -  sie durfte einfach im Garten leben, vertilgte die aufgeplatzten Paradeiser, bekam großzügig die äußeren Blätter vom Maikönig und so manch andere Küchenabfälle standen auch auf ihrem zusätzlichen Speiseplan. Natürlich fraß sie, hauptsächlich sämtliche „Un“kräuter, die sie im Garten fand.

Greterl entwickelte sich prächtig, sie war schwer wie ein Stein, ihr Panzer war vollkommen glatt und sie hatte ein Gesicht, als würde sie immer lachen. Wenn sich Omi abends auf die Bank, im Garten vor das Haus setzte, dann kam Greterl angerannt, streckte ihr den Kopf entgegen und die alte Frau konnte gar nicht anders als sich herabzubeugen um Greterl den Hals zu kraulen. Dabei naschte das Tier gelegentlich auch von dem, in Milch und Ei eingeweichten Semmelbröckerl und dem Faschierten, welches Omi gerne in lauen Sommernächten den Igeln im Garten bereitstellte. Im Winter kam sie, wie schon die Jahre zuvor, in eine hölzerne Kiste, gefüllt mit Erde und Laub. So wurde sie in den kalten Keller verfrachtet. Welche Temperaturen es dort hatte wusste wohl keiner, kalt war er eben und bis nach Ostern hörte man auch keinen Mucks aus der Kiste. Irgendwann wurde das Omi zu viel und die, mit der Zeit auch schon in die Jahre gekommene alte Gretl grub sich direkt beim Komposthaufen ein. Omi ließ sie einfach dort. So lebte das Greterl im herrlichen Garten, ganz ohne menschliches Zutun. Ohne Stress und ohne zusätzlicher Technik.

Gretel schein es an nichts zu fehlen – oder doch?

Eines Tages, wir schrieben schon das Jahr 2007, Omi war bereits gestorben und die Eltern übernahmen Haus und Garten mitsamt dem Greterl, der Griechischen Landschildkröte. An ihrer Haltung änderten sie nicht, aber auch gar nichts und so lebte die Schildkröte, wie schon Jahrzehnte zuvor alleine, stressfrei und bei nicht immer artgerechter Nahrung im Garten der, mittlerweile auch schon zu Großeltern gemachten Leute.

Als die alte Frau Zurbrück vom  Nachbarhaus ins Altersheim zog und ihre Enkel das alte Haus mit viel Liebe renovierten, kam wieder ein wenig neues Leben in die Siedlung. Der Nachbars Garten wurde hübsch gestaltet und in einer Art extra abgegrenztem Steingarten wurde ein wunderschönes Frühbeet aufgestellt. Bald war klar, wozu dieses Glashäuschen und der sandige und mit viel Schotter gestaltete, steingartenartige Bereich sein sollten. Die Nachbarsleute hatten Schildkröten, Griechische Landschildkröten.

Es waren noch relativ junge Tiere und, wie man so als gute Nachbarsleut` über den Zaun plaudert, erfuhren die Eltern, die ja nun auch schon zu den Alten gehörten, das erste Mal, das Schildkröten ein Frühbeet brauchen, das sie so manches, was bisher für Gretel aus dem Gemüsegarten abgefallen ist, ungesund sei, das sie nicht einzeln gehalten werden darf, sie in einem Kühlschrank überwintert werden soll, wo man alles viel besser unter Kontrolle hat, …….. und so manches mehr, worüber die alten Leute nur so staunten. Ja, was sollten sie denn nun machen, eine weitere Schildkröte kaufen? Das Tier in ein Frühbeet zwingen – sowas kennt das Greterl doch gar nicht!

So beschlossen die Alten, dass sie alles so belassen, wie es schon seit immer war. Gretel gehörte weiterhin der ganze Garten, das Schutzhaus, blieb ohne Glas und ohne Heizung und in einen Kühlschrank kam sie auf gar keinen Fall. Als im Frühling eine der Nachbars Schildkröten, sie hatten insgesamt 6 Tiere, nicht überlebte, fühlten sich die Eltern in ihrer Entscheidung bestätigt – „Eine Schildkröte in einen Kühlschrank stecken“ sagten sie Kopfschüttelnd. Die Nachbarn meinten zwar, es sei eine Art „natürliche Auslese“ und dass ihre alte Gretel überhaupt noch lebt sein ein Wunder. Bestimmt hatte sie bereits kaputte Nieren, einen Leberschaden, Gicht und weiß Gott was noch alles. DAS ist doch keine Schildkrötenhaltung – einfach nur im Garten herum rennen lassen,…. Das Tier wurde noch nie entwurmt, noch nie wurde sie einem Tierarzt vorgestellt,…

So vergingen die Jahre und auch die wurden Größer. Das alte Greterl, freute sich jedoch immer noch bester Gesundheit – trotzdem!

Wie das im Leben aber so ist, wurden die Alten noch älter und als der Vater, der mittlerweile nicht nur Opa, sondern sogar schon zum Uropa wurde, starb, zog die leicht schrullig gewordene Uroma zu einer ihrer Töchter. Das alte Gartenparadies, mit dem inzwischen fast abbruchreifen Haus, sollte verkauft werden. Die jungen Nachbarn, übernahmen mit Freude das alte Greterl – endlich durfte dieser arme alte Wildfang  in eine artgerechte Haltung. Da gab es Gesellschaft, täglich frisch gepflücktes und gut ausgesuchte und gewaschene Wildkräuter, ein Frühbeet, in das sie, wenn es draußen kühler war, gemeinsam mit den anderen Tieren ihrer Art,  eingesperrt wurde…… Armes altes Greterl, saß sie nur noch da, trauerte um ihren herrlichen wilden Garten, wo war ihr Überwinterungsplatz,  wo ihr Eiablaeplatz und überhaupt, das wollen all die Tiere hier von ihr? Dem Greterl blieb eine Überwinterung im Kühlschrank erspart, sie starb wenige Monate, nachdem sie endlich in artgerechte Haltung kam. Vermutlich waren es wohl doch die Nieren – oder?

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