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AutorenbildChristine Dworschak

Aufwachen





Jedes Jahr betrachte ich es als ein kleines Wunder. Dabei sollte man doch meinen, dass es mich nach so vielen Jahren Schildkrötenhaltung überhaupt nicht mehr berührt. Und doch, sobald die ersten Frühlingssonnenstrahlen vom Himmel scheinen und sich die Lufttemperatur im Gewächshaus auf über 30°C erwärmt, fühle ich so ein Kribbeln im Bauch. Fast fühlt es sich an wie das „Schmetterlingsflattergefühl“ des Verliebt seins. Bleiben die Temperaturen länger als ein Tag so frühlingshaft, dann dauert es auch gar nicht mehr lange, bis die ersten Schildkröten aus ihrem Winterquartier unter der Terrasse im Gewächshaus hervor gekrochen kommen. Mein sardisches Männchen von testudo hermanni hermanni und auch der Marginata-Kerl haben sich schon herausgewagt, genossen bereits einige Stunden die Sonne und naschten sogar schon ein Wenig von den noch recht zart heranwachsenden Wildpflanzen, die ich im Herbst ins Gewächshaus gesät habe.

Von meinen Nachzuchten aus dem vergangenen Sommer sind auch schon einige aus der Erde gekrabbelt. Ich konnte einfach gar nicht anders, musste neugierig unter die dicke Laubschicht lugen. Die Wanne, in der  meine jüngsten Panzerträger, seit Mitte November in gut 25cm lockerer ungedüngter und schön feuchter Erde  vergraben sind, stand in einem Abteil meiner Überwinterungsgruben, unter der Terrasse im Gewächshaus. Eine zusätzlich dicke Laubschicht, aus dem nahen Mischwald, sorgte für eine optimale Isolierung. Es war ein kalter und schneereicher Winter, hier in den österreichischen Voralpen. Noch immer bedeckt eine dicke Schneeschicht den hinteren Teil des Geheges. Wie gut, dass es Glashäuser gibt!  Ob dieses groß oder klein (wie ein Frühbeet ist), dort ist der Frühling bereits mit aller Macht hereingebrochen und Vogelmiere bedeckt bereits den Boden wie ein grüner flauschiger Teppich.

Nun steht sie oben – die Mörtelwanne -  auf der Terrasse und auch die Laubschicht ist schon entfernt. Immer wieder zieht es mich hinaus und ich schaue, ob sich vielleicht schon eines meiner Winzlinge herausgewagt hat. Es schein mir, als dauere es eine Ewigkeit bis sich das erste Tierchen blicken lässt. Dabei war kaum eine Stunde vergangen, bis sich das erste Köpfen, welches schon neugierig in die Sonne blinzelt, zeigte. Bald darauf folgten weiter Tiere. Wie gerne würde ich sie nun ganz ausgraben, in meinen Händen halten, kontrollieren, wiegen, baden, ….. irgendetwas tun! Ein Blick auf die Uhr zeigt mir, dass es noch gute 2 Stunden sonnig bleiben kann. Nur noch zwei Stunden und dann sinken die Temperaturen wieder. Und da es erst der 23. Februar ist sind die Nächte schon noch empfindlich kalt. Gerade einem so schönen und wolkenfreien Tag folgt oft eine sternenklare und eisigkalte Nacht. Also reiß ich mich zusammen, zügle meine Hände und beschränke mich lediglich auf Staunen und Freuen.

Sobald die Sonne tiefer steht decke ich alles wieder gut mit Laub ab. Die Tierchen graben sie wieder in der feuchten Erde ein und „träumen“ weiter vom Frühling, der Sonne und den saftigen Futterpflanzen, die bereits üppig im Babygehege, im Gewächshaus sprießen.

Der nächste Tag scheint auch wieder schön, warm und sonnig zu werden. Trotzdem schmilzt die dicke Schneedecke nur langsam und es wird wohl noch ein Weilchen dauern, bis die Tiere wieder ihre Streifzüge durchs Gehege machen können.

Wieder zeigt der Thermometer, bald nachdem die Sonne durch die Alltopverglasung brennt, fast 40°C, hingegen der Thermometer, dessen Fühler dort eingegraben wurde, wo die adulten Tiere ihre Kältestarre halten nur 7°C. Es braucht also noch ein paar wirklich warme Tage, bis sich die Erde unter der dicken Laubschicht unter meiner Gewächshausterrasse soweit erwärmt hat, dass auch die „Großen“ herausgelockt werden. Nur die flach eingegrabenen Testudo marginata und einige meiner Testudo hermanni hermanni spüren schon den nahen Frühling. Sie graben sich generell nicht so tief ein wie meine Testudo hermanni boettgeri Die Kleinen, in ihrer Mörtelwanne, strecken jedoch ihre Köpfe schon weit früher, als gestern heraus. Einige krabbeln sogar schon herum. Nun ist es Zeit, den Tierchen auch Wasser anzubieten. Oft hört und liest man, dass man die Tiere nicht einfach in eine Wasserschale setzen soll. Angeblich stresst ein solches „Zwangsbad“ die Tiere zu sehr. Ob das auch für die heftigen Regengüsse in den natürlichen Verbreitungsgebieten gilt? Dort werden weder die Kleinen noch die großen Schildkröten gefragt ob sie bereit für eine Dusche sind. Aus meinen Beobachtungen weiß ich, dass gerade diese heftigen Regengüsse die Tiere heraus aus ihren Überwinterungsquartieren lockt, sie gerne in den tiefen Pfützen sitzen und gierig das Lebenselixier Wasser aufnehmen.

Ähnlich versuche ich dieses Naturschauspiel nachzuahmen indem ich die Tiere in eine Schale setze und von oben, mittels Gießkanne Wasser auf die Tiere gieße. Dabei achte ich, dass das Wasser möglichst die gleiche Temperatur wie die Umgebung hat. Es sollte weder zu kalt noch zu warm sein. Dazu fülle ich eine große Gießkanne mit handwarmen Wasser und lass diese noch eine ganze Weile im Gewächshaus stehen. Meine Tiere genießen eine solche Dusche sichtlich. Sogleich strecken sie ihre Köpfe tief in die Flüssigkeit und saufen genüsslich von ihrem Badewasser. Dabei tanken sie nicht nur ihren Wasserhaushalt auf, sie werden auch ganz nebenbei sauber. So kann ich, noch bevor ich die Kleinen in ihr Baby-Gewächshausgehege setze, begutachten um ihren Gesundheitszustand beurteilen zu können. Sind die Augen klar? Ist der Panzer nicht zu weich? Ist die Kloake sauber? Zeigen sich keine roten Flecken am Plastron (Bauchpanzer)?

Aus vollen Zügen genießen die Kleinen, in ihrem neuen/alten Reich die Sonne. In einem Teil des Aufzuchtgeheges habe ich eine Schicht Lauf aufgebracht. Sobald die Sonne sich für diesen Tag zurückzieht fallen die Temperaturen auch im Gewächsaus wieder deutlich ab. Die Kleinen ziehen sich dann in diesen Laubhaufen zurück. Bleibt es über längere Zeit kühl, so graben sie sich ganz einfach wieder in die feuchte lockere Erde unter dem Laub ein und trotzen der Kälte, bis die Sonne sie wieder herauslockt. Hier finden sie alles was sie brauchen. Regelmäßiger Regen (aus dem Gartenschlauch) an warmen Tagen, lässt die Futterpflanzen kräftig wachsen und sorgt zusätzlich für ausreichende Feuchtigkeit. Aus den Wasserpfützen (Tonschälchen) in denen das Wasser noch länger stehen bleibt saufen und baden die Tierchen ausgiebig. Auch die Kalziumquelle (Sepiastulpe) wird rasch gefunden und fleißig angenagt. Gerade so junge Tiere, die noch im Wachstum sind, brauchen viel Kalzium. Bald schon werden sich deutlichen die ersten Wachstumsstreifen zeigen. Die Tiere fressen, saufen, und auch der Stoffwechsel funktioniert sichtbar.   Sie genießen die Sonne durch die UV durchdringende Alltopverglasung und wenn diese über längere Zeit einmal nicht scheinen möchte, dann liegen sie unter der wärmebringenden UV Lampe.

Bald kommt die Zeit des Abschieds, bald dürfen sie das Leben eines neuen Halter bereichern. Einen, der schon fleißig am Werken ist, damit alles was die Tiere brauchen bereits fertig ist, bevor sie in ihr neues Heim übersiedeln.

Ob ich traurig bin, wenn mich meine kleinen Schützlinge im Frühling verlassen? Nein, es ist mir immer wieder eine große Freude die Schildkrötenwelt mit gut informierten und wissenden Neuhaltern bereichern zu können. Es ist schön zu wissen, dass es Menschen gibt, die es mit der Schildkrötenhaltung ernst nehmen, die es von Anfang an richtig machen. Und sogar über das hinaus noch andere Halter mit ihrem Wissen konfrontieren und so, wenn auch in kleinen Schritten, aber doch stetig die Achtung gegenüber diesen Tieren weiter vorangetrieben wird.

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